Warum Freimaurer Gutes tun, aber niemanden in den Himmel bringen

Sie treffen sich regelmäßig hinter verschlossenen Türen, aber eigentlich haben sie nichts zu verbergen. Die Freimaurer existieren seit 275 Jahren in Deutschland und auch in Ingolstadt gibt es eine Loge. Ihr Name lautet “Theodor zur festen Burg”, ihren Ursprung hat sie in Pappenheim. Auf der dortigen “festen Burg” hat Graf Carl Theodor einst im Jahre 1804 die Loge ins Leben gerufen.

 Heute treffen sich die – ausschließlich männlichen – Mitglieder (Brüder) der Loge im Forttor Heydeck in Ingolstadt. Dort befindet sich ihr “Tempel” in dem sie – nein – keine schwarzen Messen abhalten. Georg Ott war jahrelang erster Vorsitzender (“Meister vom Stuhl”) der Ingolstädter Freimaurer. Im Interview spricht der Alt- und Ehrenstuhlmeister über Vorurteile und das Wesen der Freimaurerei.

Bekommt man nicht alle möglichen abstrusen Theorien zu hören, wenn man sagt, man ist Freimaurer?

Georg Ott: Das mit den abstrusen Theorien sehe ich nicht so. In Ingolstadt habe ich eigentlich immer offene Türen gefunden, es gibt zwar auch Ausreißer. Ich hatte mal wegen einer Verkehrsangelegenheit vor unserem Logenhaus ein Gespräch mit einer Dame aus der Stadtverwaltung. Als ich mich dann vorgestellt habe, hat sie gesagt: “Was? Freimaurer, gibt’s die auch noch?” Aber Negatives konnte ich nicht feststellen.

Wissen die Leute denn, was die Freimaurer machen?

Georg Ott: eine Umfrage unserer Großloge hat ergeben, dass 3% der Bürger wissen, was Freimaurerei ist.

Das ist nicht viel…

Georg Ott: Nein das ist nicht viel. 97% wissen nichts Konkretes. Dazu kommt die weitverbreitete “Dolchstoßlegende” von General Ludendorff. In ihr wird den Juden und den Freimaurern und ihren internationalen Verbindungen die Schuld an dem verlorenen ersten Weltkrieg gegeben. Darauf haben die Nazis aufgebaut und die Freimaurerei verboten. Die Dolchstoßlegende haftet uns immer noch an, weil eben Eltern das ungeprüft an ihre Kinder weitergeben.

Immer noch?

Georg Ott: Immer noch! Und es gibt Brüder, die nicht wissen wie ihre Kunden reagieren, wenn sie hören, dass sie Freimaurer sind. Dann könnte es sein, dass sie hören: “Ne, bei dem Kauf ich nix!” oder “Von dem lass ich mich nicht behandeln”. Diese Befürchtungen gibt es immer noch.

Ist das ein deutsches Problem? In den USA zum Beispiel ist die Freimaurerei eine Weltanschauung von vielen, die haben ja offensichtlich kein Problem damit, oder?

Georg Ott: In Amerika, vor allem in den USA, ist es eine große Ehre Freimaurer zu sein. Manchmal hängt das Mitgliederverzeichnis am Logenhaus aus und man hat große Sticker mit Freimaurersymbolen auf dem Auto. In Österreich ist es ähnlich wie in Deutschland, wobei die Österreicher viel aktiver sind. Bei etwa 8,5 Millionen Einwohner gibt es mehr als dreieinhalbtausend Freimaurer.

Wie viele sind es bei uns?

Georg Ott: In Deutschland sind wir ca. 14.000, in Ingolstadt 35. Altersmäßig haben wir einen Schnitt von ungefähr 55.

Wie werde ich denn Freimaurer? Wie kann ich den Kontakt erst mal aufnehmen?

Georg Ott: Wir sehen eigentlich zwei Sorten von Freimaurern. Den guten Menschen, der ohne Schurz herumläuft, also keiner Loge angehört, der aber unsere Lebensphilosophie lebt. Mutter Theresa zum Beispiel, wäre eine Freimaurerin. Und es gibt diejenigen, die Mitglieder einer Loge sind. Wer Mitglied einer Loge werden will muss die Loge suchen. Derjenige, der zu uns will nennen wir einen Suchenden. Dabei sind auch einige, die mit dem Glauben nicht zurecht kommen und dann bei uns anklopfen. Denen sagen wir, das ist das falsche Ziel. Wir können nichts bieten auf diesem Sektor.

Also Freimaurerei ist keine Religion?

Georg Ott: Sie ist keine Religion, sie ist eine Lebensphilosophie. Wir wollen die Welt verbessern, aber wir wollen niemanden in den Himmel bringen.

Was macht die Freimaurerei aus?

Georg Ott: Wir bieten Gespräche, Vorträge, eine allgemeine Ausbildung und vor allem muss jeder an sich selbst arbeiten, um diese Ideale im Leben umzusetzen. Das gilt zum Beispiel für einen Journalisten, der mit seinem Zeitmanagement nicht zurecht kommt. Wir nutzen hier das Symbol des zwölfzölligen [sic] Maßstabs. Die Zeit ist mit Vernunft einzuteilen. Jeder muss das selbst machen. Bei uns findet er Rat und Gleichgesinnte, aber keine Lehrmeister.

Wann werde ich überhaupt in der Loge aufgenommen?

Georg Ott: Wir haben aus unserer Tradition zwei Vorgaben: es sollte ein freier Mann von gutem Ruf sein. Was ist ein “freier Mann”? Wo ist der gute Ruf? Fangen wir bei dem guten Ruf an. Wenn vor 40 Jahren jemand geschieden war oder in die Insolvenz gegangen ist. war der gute Ruf im Eimer. Das ist heute anders. Wir müssen jedes Mal überlegen, ob der Suchende dem Anspruch der Freimaurer genügt. “Frei” war früher der freie Mann der niemanden Untertan war und sich eben frei bewegen konnte. Auch das gilt heute nicht mehr, wir sind alle frei. Aber viele von uns sind nicht frei im Geist, nicht frei im Denken. Und ein Dogmatiker, der zum Beispiel nur seine katholische Kirche oder nur seine Partei vertritt, ist nicht frei. Denn würden wir uns dann sehr, sehr lange prüfen und den Tipp geben sich etwas anderes zu suchen.

Religion und Politik, das sind Themen, die nicht mit in die Loge genommen werden sollen?

Georg Ott: Jein. Wenn man akademisch über etwas sprechen kann, dann sind Religion und Tagespolitik durchaus ein Thema. Wenn es aber um emotionale Themen wie etwa den Wulff-Rücktritt geht, kann das zu Streit führen und das wollen wir nicht. Akademisch können wir über alles reden.

Stichwort Religion. Freimaurer haben ja traditionell mit der Kirche erst mal nichts am Hut, oder?

Georg Ott: Es gibt in Deutschland eine Großloge, die aber nicht sehr viele Mitglieder hat, da ist der christliche Glaube Voraussetzung für die Aufnahme. In unserer humanitären Freimaurerei ist der Glaube Nebensache. Aber weil wir Rituale haben die sich auf biblische Geschichten beziehen, ist es wichtig, dass der Bruder einer Religion oder Lebensphilosophie angehört, welche die Bibel im weitesten Sinne akzeptiert.

Sie treffen sich in einem Tempel. Das erinnert ja schon sehr an einen sakralen Raum wie im Christentum.

Georg Ott: Ja. Wobei der Tempel eigentlich kein Tempel im Sinne eines geweihten Heiligtums ist. Das kann auch der Nebenraum eines Hotels sein der hergerichtet wird, um sich geistig zu versammeln.

Wenn aber jemand, der im kirchlichen Dienst steht, sich zur Freimaurerei bekennt, der würde wahrscheinlich Probleme kriegen, oder?

Georg Ott: Die evangelische Kirche hat damit kein Problem. In der katholischen Kirche ist die Bannbulle gegen die Freimaurer von 1738 durch Papst Clemens XII. und einer Bestätigung der “Unvereinbarkeit” durch die Glaubenskongregation des Vatikan – 1983 sanktioniert durch Papst Johannes Paul II. – immer noch geltend. Aber: wo kein Kläger, da auch kein Richter. Allerdings hatten wir einen Bruder, der sich mit 55 Jahren entschlossen hatte Diakon zu werden. Ihn hat das Bistum Eichstätt angewiesen aus der Freimaurerei auszutreten, was er dann auch gemacht hat.

Was macht für sie die Freimaurerei aus? Warum sind sie da gerne und mit Leidenschaft dabei?

Georg Ott: Es sind die Menschen die mich begeistern. Es ist die Möglichkeit nicht nur neue Menschen kennen zu lernen, sondern auch in Gesprächen und Vorträgen das Wissen zu erweitern. Wir haben mindestens einmal im Monat einen Vortrag zu irgendeinem Thema zum Beispiel Schöpfung oder Evolution. Auch der Tod ist bei uns ein wichtiges Thema.

Für einen Außenstehenden scheint das sehr geheimnisvoll, was sie hinter verschlossenen Türen machen. Gibt es künftig die Möglichkeit “live” dabei zu sein, wie etwa bei einem christlichen Gottesdienst?

Georg Ott: Wir veranstalten das Lichterfest im Winter und das Rosenfest im Sommer. Da öffnen wir unsere Tore für unsere Frauen und geladenen Gäste. Aber das Geheimnis ist eigentlich mehr die Verschwiegenheit. Wenn man sich in einem brüderlichen Gespräch öffnet und einem Bruder seine Probleme erzählt, dann soll das nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Wir sind verschwiegen in diesen menschlichen, persönlichen Dingen, aber nicht verschwiegen über unsere Rituale. Das kann man heute jederzeit im Internet nachlesen.

Die Freimaurerei kommt aus England. Was ist denn so im Ablauf very british?

Georg Ott: Wir haben heute zunächst einmal unglückliche Übersetzungen aus dem Englischen. Wenn man zum Beispiel aus dem “Chairman” einen “Meister vom Stuhl” macht. Ansonsten ist heute nichts mehr very british.

Gibt es momentan einen prominenten Zeitgenossen, der Freimaurer ist?

Georg Ott: Freimaurer outen sich nicht und ich oute auch keinen lebenden Freimaurer, es sei denn er hat sich geoutet. Wenn sie an Karl-Heinz Böhm denken, den kann ich nennen, denn er hat sich öffentlich dazu bekannt.

Ihren Riten und Veranstaltungen sind ja ein krasser Gegensatz zu unserer modernen, vernetzten Internet- Welt. Macht auch das ein bisschen den Reiz aus?

Georg Ott: Zunächst sind wir auch weltweit gut vernetzt. Aber wenn jemand an sich arbeiten will, in sich gehen will, dann muss er dazu Ruhe haben. Wenn jemand bei uns ist, dann entspannt er bei den rituellen Arbeiten und es gibt viele, die die Gelegenheit suchen, endlich mal abschalten zu können.